Systemdesign / HFG Ulm
die welt als entwurf
In der BRD entwarf Hans Gugelot an der HFG Ulm 1959 das Möbelsystem M 125. Zu diesem Systemmöbel schrieb Otl Aicher, der in den fünfziger Jahren Mitbegründer der legendären Hochschule für Gestaltung HFG in Ulm war, folgende Homage.
man darf es hans gugelot zuschreiben, daß er den gebrauchswert als designgröße um den systembegriff erweitert hat. in einem variablen möbelsystem aus elementen sah er einen höheren gebrauchswert im sinne einer selbstbestimmung als in der ansammlung von schränken, wie schön und handwerklich sie auch immer sein mochten. der käufer kann nach neigung, interessen, bedürfnissen und gegebenheiten sich dasjenige behältersystem zusammenstellen, das ihm auf den leib zugeschnitten ist. schränke, regale, fächer lassen sich in allen höhen und breiten nach gelegenheit und neigung zusammenbauen. ein solches system, das freiheit etabliert, das eine größere qualität des humanen erreicht, das allerdings auch kreative intelligenz, herstellungsneigung vorraussetzt, nicht nur konsumenten, ein solches system lässt sich nur mit der exaktheit herstellen, die der technischen produktionsweise eigen ist. ein system kann wachsen und schrumpfen, sich modifizieren je nach lebensphasen, als system bleibt es konstant.
gugelot hat sein system nicht als konkretes angebot verstanden, er hat darin ein designprinzip gesehen, das seine gültigkeit auch im gerätebau, auch in der architektur erweisen sollte. gesucht wurde nicht mehr die vorstellung von einem endprodukt. dieses endprodukt hatte sich verflüchtigt. das resultat konnte so oder so aussehen, je nach bedarf, je nach gebrauch. am anfang stand das element. ein paar bretter, verbunden durch genormte verbindungen, ließen sich zu einheiten zusammensetzen, eine box, ein regal. aus den einheiten wiederum entstanden dann die unterschiedlichsten programme.
methodologisch eröffnete sich die beziehung von konstanten zu variablen, von der normierung zur beliebigen endgestalt. vom element zum programm.
es ist heute kaum wiederzugeben welches gefühl uns bewegte, als wir freiheit und variabilität, auch im persönlichen, auch im politischen, nicht mehr als gegensatz zu norm und fixierung zu verstehen brauchten, sondern als etwas, das sich gegenseitig bedingt. erst das akurate element, erst die strenge methode schafft offenheit, erlaubt kreativität, ermöglicht phantasie. rationale methoden und exakte elemente, exakte standards und präzise fertigungen eröffneten den freiraum eigener programme.
wir brachen die normierung auf, die als solche zu zwang, schematismus und uniformität führte. wir zwangen das raster dazu, impulsen zu dienen. aus der wiederholung des schemas schälten wir das spiel heraus. gerade durch die bejahung von standards ermöglichten wir auf eine neue weise das freie spiel. wir hatten die leiter, auf der man über sich selbst hinaussteigen konnte. wir bejahten die gesetze der technik, um das reich der unbegrenzten variationen aufzuschießen.
Das Buch „die welt als entwurf“ möchte ich an dieser Stelle, allen die sich für das Thema Gestaltung und Designtheorie interessieren, sehr empfehlen.
Wolfgang Fünfgeld